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Theater und Oper im Hans-Sachs-Haus

1. Teil:
Bevor der Hans-Sachs-Haus-Saal zum Theater wurde
- Die Zeit bis 1954

Eine Parallelgeschichte in 6 Teilen

Theater im Hans-Sachs-Haus-Saal

Theater in Gelsenkirchen
 

Vorgeschichte
Schon zu Beginn des Jahres 1914 wurden im Gelsenkirchener Stadtrat Pläne zum Neubau eines Theatergebäudes erwogen. Zu diesem Zeitpunkt war sogar ein Theaterbaufond von mehr als einer Million Goldmark angesammelt worden. Der Erste Weltkrieg verhinderte aber weitere Überlegungen. Nach dem Krieg wurden die Pläne erneut diskutiert, dann jedoch zugunsten des Baus eines Verwaltungsgebäudes, eben des Hans-Sachs-Hauses, zurückgestellt.

Der große Saal des Hans-Sachs-Hauses wurde dann allerdings als Konzert- und Veranstaltungssaal konzipiert und erfüllte somit kaum die Anforderungen an Bühne, Akustik und Licht, wie sie ein Opern- und Theatersaal erfordern.
Die erste Nutzung des Saals als Aufführungsort war daher aus der Not geboren: Beim Bombenangriff auf das Stadtgebiet in der Nacht zum 26. Juni 1943 wurde die als Stadttheater genutzte Stadthalle stark beschädigt.

 

Vorgeschichte
Bereits seit 1875 gab es vereinzelt Theatervorstellungen in der damals neu gegründeten Stadt Gelsenkirchen. Sie waren alle durch private Initiativen entstanden und die Theatersäle waren häufig an Gaststätten angeschlossen. Um die Jahrhundertwende begannen die Geschwister Genius, neben Volksstücken auch Klassiker wie Schillers "Räuber", Neuerscheinungen wie Stücke des damals gefeierten naturalistischen Dramatikers Hermann Sudermann und sogar Operetten zu inszenieren. Die Erfolge bewogen die Stadt, dem Genius-Theater ab 1909 öffentliche Zuschüsse zu zahlen. Ab 1911 übernahm die Stadt selbst Verantwortung für das Theaterleben in Gelsenkirchen. Verträge für regelmäßige Gastspiele wurden mit verschiedenen Bühnen der Umgegend, insbesondere mit Düsseldorf, abgeschlossen. Gespielt wurde in der Stadthalle am Stadtgarten, deren Bühne nach und nach zum Stadttheater mit einem Rundhorizont, einer theatergerechten Beleuchtungsanlage und einem eisernen Vorhang ausgebaut wurde.
Die Stadthalle im Stadtgarten, bevor sie zum Stadttheater umgebaut wurde. Quelle: Ausschnitt aus einer Postkarte.

Die Stadthalle im Stadtgarten, bevor sie zum Stadttheater umgebaut wurde

 

Die Stadthalle im Stadtgarten, die bis 1944 als Stadttheater genutzt wurde. Quelle: Stadtarchiv/Institut für Stadtgeschichte.

Die Stadthalle im Stadtgarten nach dem Umbau zum Stadttheater

 

Bis zur Beendigung der dringendsten Reparaturarbeiten am Stadttheater, Ende September 1944, fanden deshalb Wochenendaufführungen der Städtischen Bühnen im Hans-Sachs-Haus-Saal statt. Ein eigenes Ensemble für Gelsenkirchen wurde erst 1935 unter der Leitung von Curt Franz Braun gegründet. Während man sich zunächst auf Schauspiel und Operette beschränkte, wurde 1941 - unter der Leitung von Richard Heime - ein Opernensemble angegliedert. Anfang 1945 wurde die Stadthalle bei einem Bombenangriff endgültig zerstört.
Eingang zur Stadthalle. Quelle: Städtische Bühnen, Sonderheft zur Grundsteinlegung, 1958.

Eingang zur Stadthalle vor dem Umbau

 

Zerstörte Stadthalle. Quelle: Städtische Bühnen, Sonderheft zur Grundsteinlegung, 1958.

Zerstörte Stadthalle, ca. 1946

 

Nachkriegszeit
Auch bei der Wiederherstellung des Saales nach dem Krieg wurden die Anforderungen für Theateraufführungen nicht eingeplant. So kam es nur vereinzelt zu Vorstellungen der Städtischen Bühnen im Hans-Sachs-Haus.
Schon auf seiner ersten Pressekonferenz in Gelsenkirchen im Februar 1950 kündigte der neue Generalintendant Hans Meissner an, mit der Verbreiterung des Angebots um den Bereich der Oper nicht nur das Haus am Bahnhof, sondern auch den Saal im Hans-Sachs-Haus bespielen zu wollen.
Außer einigen Vorstellungen von Beethovens Oper "Fidelio", die anlässlich des 75-jährigen Stadtjubiläums im November und Dezember 1950 aufgeführt wurden und den - auch in den Folgejahren durchgeführten - "Werbeabenden", bei denen sich Theater-, Opern- und Ballettensemble sowie Chor und Orchester zu Beginn der jeweiligen Spielzeit der Gelsenkirchener Öffentlichkeit vorstellten, wurde diese Absicht allerdings nicht in die Tat umgesetzt.
Nachkriegszeit
Schon unmittelbar nach Kriegsende wurden verschiedene Versuche zur Gründung eines neuen Theaters gemacht: Mit Hilfe der Stadt etablierte der Schauspieler Erich Paul ein Theater mit Schauspiel und Operette in der Bochumer Straße, während der Hotelier Meisterfeld im Bahnhofshotel ein Operettentheater, das "Theater des Westens", gründete. Das „Neue Theater" unter Karl Riebe spezialisierte sich auf Opernaufführungen. Im Jahre 1948 beschloss der Kulturausschuss der Stadt, das Theater in der Bochumer Straße, und das von Hein Heuer künstlerisch geleitete "Theater des Westens" zusammenzulegen, eine GmbH, zu gründen und die Anteilmehrheit zu erwerben.
Dieses Theater ging dann als "Städtische Bühnen", mit Hein Heuer als Intendant, ganz in städtische Regie über. Mit der Berufung von Hans Meissner im Jahre 1950 wurde neben dem Theater- wieder ein komplettes Opern-Ensemble aufgebaut. Musikalischer Oberleiter und Chefdirigent wurde Dr. Ljubomir Romansky. Außer im Haus am Bahnhof wurde auch in der Aula des Grillo-Gymnasiums gespielt.
Ein neues Theater
Stattdessen warb Generalintendant Meissner für den Gedanken eines Theaterneubaus, in dem er "auch die Lösung eines sozialen Problems sah: den Menschen, die heute noch in Notwohnungen hausen, das Gefühl der Resignation zu nehmen und ihnen ein neues Lebensgefühl zu schenken. Die unzulänglichen Verhältnisse im Hause am Bahnhof seien nicht dazu angetan, wertvolle junge Kräfte den Städtischen Bühnen zu erhalten". Die Bereitstellung einer ersten Baurate im Haushaltsplan 1951 sei daher dringend notwendig.
Ein neues Theater
Schon bald warb Generalintendant Meissner für den Gedanken eines Theaterneubaus, in dem er "auch die Lösung eines sozialen Problems sah: den Menschen, die heute noch in Notwohnungen hausen, das Gefühl der Resignation zu nehmen und ihnen ein neues Lebensgefühl zu schenken. Die unzulänglichen Verhältnisse im Hause am Bahnhof seien nicht dazu angetan, wertvolle junge Kräfte den Städtischen Bühnen zu erhalten". Die Bereitstellung einer ersten Baurate im Haushaltsplan 1951 sei daher dringend notwendig.
Gastspiele
Mit der Aussicht auf ein eigenes Theatergebäude für die Städtischen Bühnen war der Saal im Hans-Sachs-Haus als Veranstaltungsort regelmäßiger Theatervorstellungen zunächst überflüssig geworden. So wurde er in der Hauptsache nur für einige Gastspiele von weniger aufwendigen Produktionen genutzt.
Im Dezember 1952 tourten die Städtischen Bühnen mit ihrer Weihnachts-Kinder-Aufführung "Peterchens Mondfahrt" durch die Gelsenkirchener Veranstaltungsorte. Neben Vorstellungen im Haus am Bahnhof - dem damaligen Spielort der Städtischen Bühnen - und der Schauburg in Buer kam es auch zu drei Vorstellungen im Hans-Sachs-Haus am 13., 16. und 18. Dezember. Auch die Weihnachtsmärchen 1953 ("Der gestiefelte Kater") und 1954 ("Schneeweißchen und Rosenrot") gastierten mehrfach im Hans-Sachs-Haus. Aber nur die zwei Schauspiele "Ein Engel namens Schmitt" und "Helden" aus dem regulären Spielplan der Städtischen Bühnen wurden an zwei Abenden im Januar 1954 im Hans-Sachs-Haus aufgeführt. Darüber hinaus gab es nur wenige andere, höchst unterschiedliche Gastspiele. Die Bandbreite reichte von der Ballett-Theater-Compagnie mit dem Ballett "Abraxas" von Werner Egk (Januar 1951) oder Schülerinnen und Schüler der Realschule Buer mit der Jugendoper "Die Wunderuhr" von Eberhard Werdin (Januar 1953). Das längste Gastspiel gab das Berliner "Theater am Nollendorfer Platz", das an sechs Abenden im März/April 1952 seine Musikal-Revue "Käpt'n Bay-Bay" mit Addi Appelt in der Hauptrolle aufführte.

 

Walküre
Am 17. Dezember 1952 wurde nach "Fidelio" wieder eine Opern-Premiere im Hans-Sachs-Haus-Saal gefeiert. Unter der Regie von Hans Meissner und der musikalischen Leitung von Ljubomir Romansky wurde Richard Wagners "Die Walküre" gegeben. Diese erste Wagner-Inszenierung in der Nachkriegszeit im Ruhrgebiet wurde musikalisch und künstlerisch weitgehend positiv von der Presse begutachtet, der Veranstaltungsort gab allerdings Anlass zur Kritik.
"Dieser Tag ist wichtig in Gelsenkirchens Musikleben - und bemerkenswert in der künstlerischen Situation des Westen", schrieb der Rezensent der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung Dr. Schwermann, denn schon "bei der ersten Wagner-Inzenierung im Revier" müsse man "umziehen in einen großen Konzertraum. [...] Notlösung ist dieser Schritt, wie auch der Raum des sonst benutzten Saaltheaters [das Haus am Bahnhof, d.V.] nur ein Provisorium bleiben muß. Der szenische Rahmen muß sich den stufenreichen Gegebenheiten des Podiums anpassen."
Auch die Buersche Zeitung sah einen "großen Saal des Hans-Sachs-Hauses, den man mit Gewalt zum Theatersaal pressen wollte: Orchester, offensichtlich sehr verstärkt, auf weit in den Saal vorgezogenen Sitzen. Ein Glück, daß die Bühne des Saales ziemlich hoch liegt und Zuschauer aufwärts blicken müssen über die Köpfe der Musiker hinweg." Und deshalb hatte das Podium des Hans-Sachs-Haus-Saales auch etwas Gutes: "Diese Bühnenhöhe kam auch der Oper zugute, sie rückte sie noch mehr als sonst in den Bereich des Götterhimmels, in dem Walküren ihr Wesen treiben und dem Wagner auch seine Menschen und Götter beheimatet wissen möchte."
Allein die Westfälische Rundschau hatte grundsätzliche Bedenken, die sie schon in der Überschrift ankündigte: "Hat uns Wagner noch etwas zu sagen? - 'Walküre' in ungünstigen Raumverhältnissen" und stellte die Frage, "ob das Theater recht daran tut, schon jetzt das personell und bühnentechnisch anspruchsvolle Musikdrama Wagners in den Spielplan einzubeziehen."
Die noch im Programmheft der Saison 1952/53 angekündigte Aufführung der Meistersinger im Hans-Sachs-Haus kam übrigens nicht zustande.

 

Auch der Theaterausschuss fasste am 23.04.1951 einen Beschluss in dieser Richtung:

"Der Theaterausschuß hält den alsbaldigen Neubau eines Theaters für ein dringendes Erfordernis der kulturellen Aufbauarbeit der Stadt und für eine unabdingbare Voraussetzung der künftigen Sicherung ihrer kulturellen Verantwortung gegenüber der gesamten Bevölkerung. Der Ausschuß erwartet daher für den Haushaltsplan 1951 die Bereitstellung einer angemessenen ersten Rate zum Neubau des Theaters und die Sicherung eines baldigen Baubeginns."

Anfang Mai kam es bei der 2. Lesung des Haushaltsplanes für das Rechnungsjahr 1951 im Haupt- und Finanzausschuss zu einer längeren Aussprache über die erste Baurate für einen Theaterneubau. Man einigte sich darauf, für das Theater aus dem Grundvermögen der Stadt ein geeignetes Grundstück bereitzustellen, ferner Mittel für ein Preisausschreiben und für die Vorplanung des Theaterneubaus. Zwei Monate später, Ende Juli 1951, entschied sich der Haupt- und Finanzausschuss mit Mehrheit für die "Wiese" als Platz für den Theaterneubau, nachdem Baudirektor Schagen die Wahl dieses Standorts eingehend damit begründet hatte, dass hier der verkehrsmäßig günstigste Platz sei und dass das Theater hier den Schlusspunkt eines Verwaltungs- und Kulturzentrums bilde und einen besonderen Kristallisationspunkt darstelle. Die Vorsitzende des Theaterausschusses begründete dessen Standpunkt: der Ausschuss habe sich für den Neubau entschieden, nicht "aus Vermessenheit oder Abenteuerlust, sondern aus echter Verantwortung für die kulturelle Entwicklung der Stadt, die im Kreise der übrigen Ruhr-Großstädte endlich den Platz einnehmen müsse, der ihr schon lange zustehe".

Fast zwei Jahre passierte nichts Entscheidendes. Erst Ende September 1953 wurde auf Vorschlag von Oberstadtdirektor Hülsmann eine Kommission zum Neubau des Stadttheaters gebildet. Ihr gehörten je ein Vertreter der Fraktionen, die Vorsitzenden des Bau- und des Kulturausschusses und der Leiter der Städtischen Bühnen an. Mittlerweile war Generalintendant Meissner im Laufe des März 1953 aufgrund seiner Gastspielpolitik in die öffentliche Kritik geraten. Die Schärfe dieser - seiner Meinung nach ungerechtfertigten - Kritik hatte dazu geführt, dass er am 20. Mai,  "so sehr er diesen Schritt persönlich und sachlich bedauern müsse" und obwohl ihm Stadtverwaltung und Stadtvertretung das Vertrauen aussprachen, um die vorzeitige Auflösung seines Vertrages zum Ende der Spielzeit bat.

Bei der feierlichen Amtseinführung des neuen Leiters der Städtischen Bühnen, Generalintendant Gustav Deharde, am 15.10.1953 kündigte Oberstadtdirektor Hülsmann - wie die Stadtchronik berichtete - an: "Heute nachmittag treten wir mit der Theaterbaukommission zusammen, um die eigentlichen Arbeiten für den seit Jahren geplanten Neubau des Hauses zu beginnen" und so kam es nachmittags zu einer ersten Bauplatzbegehung von Bauausschuss, Oberbürgermeister, Oberstadtdirektor und Generalintendant. Die konkreten Planungen für den Theaterneubau begannen.

 

 

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