Theater und Oper im Hans-Sachs-Haus
6. Teil:
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Theater im Hans-Sachs-Haus-Saal |
Der Theaterneubau nebenan |
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Der neue Generalintendant Hans Hinrich wurde offiziell am 25. August 1958 eingeführt. In seiner ersten Ansprache vor den Schauspielern erklärte er - wie die "Gelsenkirchener Blätter" berichten - seine Auffassung. Es sei einmalig in Deutschland, dass hinter dem Theater eine Stadtverwaltung stünde, die die Gagen sicherstelle. Das sei für die Künstler Verpflichtung, ihr Bestmögliches zu leisten. Es gehe beim Theater nicht um persönlichen Ehrgeiz, sondern in allererster Linie um eine gute Ensemble-Leistung. Er dankte dem bisherigen Generalintendanten Deharde für seine selbstlose Arbeit im Dienste des Theaters und betonte, die Zusammenarbeit mit seinem Kollegen in den letzten Wochen sei überaus gut gewesen; vieles von dem bewährten Alten könne auch in die neue Spielzeit übernommen werden. Schon im Spielplan wurde der Wechsel in der Leitung des Theaters deutlich: neben dem "großen Kulturtheater" sollte mehr Wert auf das "Unterhaltungstheater" gelegt werden, Stilexperimente sollten vermieden werden. Die neue Wichtung zeigte sich auch darin, dass zum ersten Mal, seit die Städtischen Bühnen ihr Domizil im Hans-Sachs-Haus gefunden hatten, eine Spielzeit nicht mit einer Oper eröffnet wurde. Auch war es zum ersten Mal nicht der Intendant, der bei dieser ersten Premiere Regie führte. Die neue Spielzeit begann am 1. September 1958 mit dem Schauspiel "Die Affäre Dreyfuss" von Hans Rehfisch und Wilhelm Herzog in der Inszenierung durch Jost Dahmen; der Generalindentant Hans Hinrich spielte die Rolle des Émile Zola. Auffallend ist die damalige Zurückhaltung der Kritik in der Beurteilung des Stückes. Die Terminplanung bei der Belegung des Saales führte auch in dieser Spielzeit zu Problemen. So hatte die 'Rheinisch-Westfälische Kinderärzte-Vereinigung' und die 'Deutsche Vereinigung für die Gesundheitsfürsorge des Kindesalters' für den 15. und 16. November 1958 den Saal für eine überregionale Tagung mit etwa 1000 Fachärzten angefragt. Da am 15. die Operette "Die Dubarry" auf dem Spielplan stand, beanspruchten die Städtischen Bühnen den Saal ab 15.30 Uhr. Nach langen Verhandlungen einigte man sich, dass die Ärztevereinigung nur vor dem Hauptvorhang tagen konnte, während die Kulissen für die Operette bereits am Tage vor der Aufführung auf der Bühne aufgebaut wurden. Der für Gelsenkirchen so werbewirksame Kongress konnte dank dieses Kompromisses doch durchgeführt werden. Am 30.06.1959 ging das Gastspiel der Städtischen Bühnen im Hans-Sachs-Haus-Saal mit einer Aufführung von "Der Biberpelz", einer "Diebeskomödie" von Gerhart Hauptmann, zu Ende. Eine Bilanz in Zahlen für die Spielzeit 1958/59 zogen die "Gelsenkirchener Blätter":
Die Bilanz für das Hans-Sachs-Haus sah weniger erfolgreich aus. Die Umbauten zum "Behelfstheater" hatten die Erwartungen an eine Theaterbühne nicht immer erfüllt und waren nur mühselig durch Improvisationsgabe, gelungene Bühnenbilder und hohe zusätzliche Kosten kaschiert worden. Nun, nachdem die Städtischen Bühnen ihr eigenes Haus hatten, zeigten sich diese Umbauten als bedenklich. So war z.B. die Akustik bei Orgelkonzerten gegenüber dem Originalzustand stark beeinträchtigt. Wichtiger aber war, dass in den vier Jahren der Nutzung durch das Theater die meisten Veranstalter Ausweichsäle, teilweise sogar in Nachbarstädten, gesucht und gefunden hatten, denen sie auch die Treue hielten, nachdem der Hans-Sachs-Haus-Saal wieder zur Verfügung stand. Zudem waren in diesen vier Jahren auch innerhalb Gelsenkirchens neue Veranstaltungsstätten und Säle geöffnet worden, die nun dem Hans-Sachs-Haus Konkurrenz machten. Der Veranstaltungskalender der folgenden Jahre konnte weder in der Vielfalt noch in der Anzahl der Veranstaltungen an die Jahre vor 1955 anknüpfen.
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Mit einem feierlichen Eröffnungsakt am 11. September 1958 wurde auf dem Neumarkt die lange angekündigte Theaterneubau-Lotterie gestartet. Vor den dort aufgestellten Vitrinen mit Gewinnen wies Oberbürgermeister Geritzmann in einer kurzen Ansprache vor zahlreichen Honoratioren der Stadt auf die Bedeutung der Lotterie hin. Er zog dann, wie die Stadtchronik berichtet, "nach dem er einen ihm von einer schmucken Winzerin gereichten Pokal geleert hatte, das erste Los. Es war eine Niete. Dann traten die charmanten Losverkäuferinnen allgemein in Aktion. Bereits eine Stunde nach Eröffnung der Lotterie waren 3000 Lose verkauft." Nach sechs Wochen ging die Lotterie - wie geplant - am 22. Oktober mit der Prämienziehung zu Ende. Den Gewinner des Hauptgewinns erwartete eine moderne Wohnzimmereinrichtung im Werte von 3000 DM. Von 840000 vorhandenen Losen waren nur rund 350000 verkauft worden Der Reingewinn betrug nur rund 45000 DM. Zwischenzeitlich war am 9. Oktober Richtfest gefeiert worden. Bei strömendem Regen hatten sich wiederum die Vertreter des Rates und der Verwaltung eingefunden. "Dieses imposante Bauwerk", so sagte Oberbürgermeister Geritzmann in seiner Ansprache, "wird nach seiner Fertigstellung die Neugestaltung unserer Stadt repräsentieren", berichten die "Gelsenkirchener Blätter".
Die Arbeiten am Neubau gingen weiter voran. Im Dezember begann man mit der Verglasung der Front an der Florastraße. Im Januar wurde die Zentralheizung in Betrieb genommen, damit die Arbeiten am Innenausbau ungestört von Winterkälte ihren Fortgang nehmen konnten. Im Foyer war Yves Klein aus Paris an einer Seitenwand mit der Anbringung eines leuchtend tiefdunkelblauen Monochrom-Reliefs beschäftigt. An der Außenwand des Zuschauerraumes begann Paul Dierkes mit Arbeit an seiner Plastik. Vor dem Theatergebäude begann ein Bagger mit der Ausschachtung des Geländes, auf dem die Kassenhalle errichtet werden sollte. Im Juli 1959 ereignete sich ein tödlicher Unfall auf der Baustelle. Ein 19 Jahre alter Hilfsarbeiter geriet mit einer elektrischen Bohrmaschine plötzlich in den Stromkreis und erhielt dabei einen tödlichen Schlag. Im Krankenhaus konnte der Arzt nur noch den Tod feststellen. Mitte August lieferte eine Berliner Spezialfirma den Bühnenhimmel (Rundhorizont) des neuen Stadttheaters an. Der Transport musste wegen der 24 m Länge des Holzmastes, an dem das spätere "Sternenzelt" aufgehängt werden sollte, in der Nacht erfolgen. Der "Himmel" hatte eine Breite von 24 m und eine Länge von 50 m. Zwar wurden die Arbeiten mit Hochdruck weitergeführt, die Termine konnten aber nicht gehalten werden. So mussten am 21. September die Städtischen Bühnen die Spielzeit 1959/60, zusammen mit dem Kulturring Marl, im Theater der Stadt Marl mit der Rossini-Oper "Der Barbier von Sevilla" eröffnen. Erst Anfang Oktober konnte der Bauzaun entfernt und mit Planierungsarbeiten vor dem Bühnenhaus und der Kassenhalle begonnen werden. Am 12. Oktober zog dann als erster der Hausverwalter der Städtischen Bühnen, Helmut Hildebrand, ein, der zehn Jahre Saalmeister im Hans-Sachs-Haus gewesen war. Die ersten Proben im neuen Theater fanden am 3. November statt.
Am 15.12.1959 wurde das neue Theater im Großen Haus mit William Shakespeares "Ein Sommernachtstraum" eröffnet. Die Erfolgsgeschichte des Gelsenkirchener Theaters, des heutigen Musiktheater im Revier (MiR) begann. |
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