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Die Walcker-Orgel im Hans-Sachs-Haus

Mit der Errichtung eines großen Konzertsaals und der konsequenten Berücksichtigung aller musikalisch-akustischen Erfordernisse bestand seit Beginn der Planung an der explizite Wunsch nach einer modernen Konzertsaalorgel, die in ihren Größenverhältnissen dem Saal angepasst sein sollte. Klanglich musste sie möglichst vielfältigen musikalischen Bedürfnissen des modernen Konzertlebens gerecht werden.
Am 18. Februar 1927, eineinhalb Jahre nach Baubeginn des Konzertsaals, bewilligte die Stadtverordnetenversammlung 62.964 RM für die Anschaffung einer Orgel.

Der Bau dieser großen Renommierorgel wurde dem damals größten und international gleichzeitig erfolgreichsten deutschen Orgelbauunternehmen, der in Ludwigsburg ansässigen Werkstatt E. F. Walcker & Cie., übertragen. Walcker errichtete daraufhin in Gelsenkirchen sein Opus 2150 mit 92 Registern.

Die Raumverhältnisse des Saales waren den akustischen Gesetzen so angepasst worden, dass die Orgel ihre volle Klangvielfalt frei entfalten konnte. Die Architektur des Hans-Sachs-Hauses, des Saales und der Orgel folgten einem Gesamtkonzept, das unter dem Motto "Beschränkung auf das Notwendige" stand. Aus diesem Grund wurde auf die sonst üblichen zierenden Attrappen von Orgelpfeifen verzichtet. Das Orgelwerk wurde in seiner natürlichen Bauweise belassen.

Im ursprünglichen Zustand des Saales wurden die Metallpfeifen auf der Orgelbühne oberhalb des Podiums durch horizontale Holzjalousien sichtbar. Der Organist saß nicht wie sonst üblich unmittelbar vor dem Orgelwerk, sondern an einem fahrbaren Spieltisch, der auf der Bühne platziert wurde. Das Neuartige an dieser außergewöhnlichen Spielsituation war, dass der Konzertbesucher das Spiel des Organisten auch visuell verfolgen konnte.

Nach einem Jahr der Planung und Anfertigung begann die Firma E. F. Walcker & Co. Ende Juli 1927 mit dem Einbau der Orgel. Beim Festakt zur Einweihung des Konzertsaales am 15. Oktober 1927 erklang das Orgelkonzert in d-moll von Georg Friedrich Händel, gespielt von Günther Ramin.
 

Auslagerung im Zweiten Weltkrieg

Im Frühjahr 1944 wurde die Orgel auseinandergebaut und nach Büren bei Paderborn ausgelagert. Auf diese Weise konnte das kostbare Instrument vor Kriegszerstörung bewahrt werden. Ohne diese Vorsichtsmaßnahme wäre die Orgel den Bombenangriffen vom März 1945 zum Opfer gefallen.

Am 23. August 1949 wurde die Orgel anlässlich des Bachjahres mit einem Konzert von Helmut Walcha (Frankfurt/Main) wieder eingeweiht.
 

Die Zeit unter Kustos Franz Röttger (1949-1977)

Erster Kustos der Walcker-Orgel wurde der Kantor und Organist der Propsteikirche St. Augustin in der Gelsenkirchener Altstadt, Franz Röttger (1911-1996). Ungefähr 150 Orgelkonzerte fanden unter seiner Ägide statt, mehr als 50 Mal spielte er selbst öffentlich die Orgel.

Im Rahmen der architektonischen Umgestaltung des Konzertsaals in einen Mehrzwecksaal 1955 wurde das romantische Fernwerk stillgelegt und 1975 endgültig entfernt. Reinigungen oder Reparaturen der Orgel fanden allerdings nicht statt.
 

Die Zeit unter Kustos Karl-Heinz Obernier (seit 1977)

1977 wurde Karl-Heinz Obernier, Leiter der Städtischen Musikschule, Kustos der Orgel.
Der Kustos konnte die Stadt von der Notwendigkeit der Orgel und einer Restaurierung überzeugen und man entschied sich, eine kostengünstige Restaurierung und Anpassung an die geänderten Umstände vorzunehmen.
In drei Stufen sollte die Modernisierung durch die Firma E. F. Walcker & Co. erfolgen.

Im ersten Schritt 1982 wurde der alte Spieltisch durch einen neuen elektrischen Spieltisch mit Setzeranlage und modernen Spielhilfen ersetzt. Der alte Spieltisch steht seitdem im Orgelmuseum in Borgentreich.

Danach wurden Register des Pedals sowie des I. und II. Manuals und im dritten Schritt des III. und IV. Manuals umgebaut. Insbesondere wurden die anfälligeren Taschenladen durch mechanische Schleifladen ersetzt. Zum einen schien eine Restaurierung der Taschenladen bei den beschränkten Geldmitteln, die zur Verfügung standen, zu kostspielig, zum anderen hielt man diesen Umbau auch im Hinblick auf den Klang für angemessen. Auch ein Großteil des alten Lagerwerks wurde erneuert.

Die neue Saaldecke, die nicht mehr den Bedürfnissen eines Konzertsaales entsprach, absorbierte soviel Klangvolumen, dass man sich entschied, das Akustikdefizit durch eine Aufstockung mit 12 zusätzlichen Registern in die vorhandenen Manuale und das Pedal zu beheben. Die Verwendung neuer Windladen machte diese Vergrößerung der Disposition möglich. Die beschränkten Geldmittel ließen allerdings eine Renovierung des Pfeifenwerks nicht zu. Jedoch entschloss man sich, die Orgel der aktuellen - jetzt tieferen - Orchesterstimmung wieder anzupassen. 1989 war die "neue" alte Walcker-Orgel fertig gestellt.

1990 rief der Kustos Karl-Heinz Obernier den "Gelsenkirchener Herbst" ins Leben, eine jährliche Konzertreihe mit zunächst sieben, später vier Konzerten mit Orgelsolo und Orgelplus-Programmen in den Monaten Oktober bis Dezember. In den Jahren 1993, 1996 und 2000 fanden darüber hinaus die mittlerweile höchst renommierten "Internationalen Orgelwettbewerbe" statt.

Zur Zeit wird die Orgel von der Orgelbaufirma Romanus Seifert und Sohn restauriert.

Informationen zur Orgel unter: www.walcker-orgel-gelsenkirchen.de

Orgelpfeifen.Quelle: ISG/Stadtarchiv Gelsenkirchen.
Orgelpfeifen
 
Spieltisch von 1927
Spieltisch von 1927
 
Orgelpfeifen. Quelle: ISG/Stadtarchiv Gelsenkirchen.
Orgelpfeifen
 
Spieltisch von 1982
Spieltisch von 1982
 
Franz Röttger an der Walcker-Orgel. Quelle: ISG/Stadtarchiv Gelsenkirchen.
Franz Röttger
 
Karl-Heinz Obernier am Orgeltisch stehend.
Karl Heinz Obernier
 
Programmheft für den Orgelwettbewerb 2000
Programmheft für den Orgelwettbewerb 2000