Kulturveranstaltungen 1927 - 1945
Am 15. Oktober 1927 wurde der Saal mit einer glanzvollen Eröffnungsfeier eingeweiht.
Neben dem Festsaal, dessen Herzstück die Walcker-Orgel bildete, sollten der Lesesaal im Erdgeschoss, die Stadtbücherei in der ersten und Ausstellungsräume in der zweiten Etage das kulturelle Angebot abrunden. Hier wurde als erste Ausstellung eine "Große Gelsenkirchener Ausstellung für Verkehr und Polizei im rheinisch-westfälischen Industriebezirk" gezeigt.
In den Bestimmungen zur Nutzung des Saales wurde der Charakter des Hauses als Stätte der hohen Künste ausdrücklich festgelegt. So kann man in einem Beschluss der Hans-Sachs-Haus GmbH - Teilhaberin zu 50 % ist die Stadt Gelsenkirchen - von 1928 lesen, dass von der Geschäftsführung Veranstaltungen zu vermeiden sind "... die der Würde des Saales nicht entsprechen, insbesondere in der Karnevalszeit." Diesem gehobenen Anspruch wurde man in den ersten Jahren durchaus gerecht: Ereignisse wie Wagnerabende, Konzerte der Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Wilhelm Furtwängler und experimentelle Aufführungen - wie z.B. die Vorführung "Aethermusik" von dem russischen Professor Leon S. Theremin mit seinem nach ihm benannten elektronischen Instrument, einem frühen Vorgänger des Synthesizers - sind als Spiegelbild des Weimarer Kulturverständnisses zu begreifen. Der Städtische Musikdirektor Paul Belker bot ein breites klassisches Musikprogramm, zu dem auch so genannte "volkstümliche" Sinfoniekonzerte gehörten.
Auch die Ausstellungen reihten sich in das kulturelle Niveau des Hans-Sachs-Hauses ein. Eine Architekturausstellung, eine graphische Ausstellung über Schweizer Kunst oder eine Sonderausstellung über Gartenkunst etwa zeigen, dass die Ausstellungsräume des Hans-Sachs-Hauses in der Anfangsphase häufig als Kunstplattform genutzt werden.
Musik
Unter dem Städtischen Musikdirektor Hero Folkerts bildeten die Konzerte des Städtischen Orchesters, der
Gelsenkirchener
Gesangvereine und zahlreicher auswärtiger Künstler auch
nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 den Kern
der Kulturveranstaltungen im Hans-Sachs-Haus.
Politik
Gleichzeitig wurde jedoch
der Vorsatz, die Räumlichkeiten keinesfalls für politische Veranstaltungen
zu nutzen, fallengelassen. Nicht nur die Fassade des Hans-Sachs-Hauses
wurde nun mit Hakenkreuzfahnen geschmückt, auch viele darin
stattfindenden Veranstaltungen integrierten sich mühelos in die
NS-Propagandamaschinerie: Der Saal wurde genutzt für
Veranstaltungen der Partei, der Vereinigung "Kraft durch Freude",
für Mutterkreuzübergaben, SA-Standarten-Konzerte, Gedenkfeiern für die
"Gefallenen der Bewegung" vom 9. November 1923 und nicht zuletzt für
die alljährlichen NSDAP-Weihnachtsfeiern.
Bildung
Auch die Bildungsveranstaltungen im Hans-Sachs-Haus-Saal zeugten vom
Geist der Zeit. Bei den Vorträgen der - hauptsächlich in Asien tätigen
- Forschungsreisenden und Reiseschriftsteller
Sven Hedin, Colin Roß und Hugo Adolf Bernatzik oder Heinrich Schnee,
dem ehemaligen Gouverneur von Deutsch-Ostafrika und leitenden
Kolonialbeamten, wehte durchaus ein Hauch der weiten Welt ins Haus,
der Gedanke des überlegenen "Deutschtums" schwang aber bei
diesen Vorträgen mit.
Ausstellungen
So gab es 1939 eine Ausstellung, die, wie die Stadtchronik berichtet,
"vom Kunstsinn der werktätigen Bevölkerung unserer Industriestadt ein
beredtes Zeugnis ablegt. Es handelt sich um die Ausstellung von Bildnissen,
Zeichnungen, Schnitzereien, Kunstschmiedearbeiten und sonstigen Werken, die
von Bergleuten, Fabrikarbeitern, kaufmännischen Angestellten und
Angestelltinnen in ihrer Freizeit hergestellt worden sind". Eine
Ausstellung "Laienschaffen" wurde auch 1940 veranstaltet. 1941 fand
dann die "Erste Große Kunstausstellung des Gaues Westfalen-Nord
'Volk der Arbeit'", eine Verkaufsausstellung, statt. Die
Ausstellungen der letzten Kriegsjahre beschäftigten sich eher mit
Luftschutzeinrichtungen und "Behelfsmäßigem Kriegsbau".
Sport
Der Saal bot darüber hinaus auch die Kulisse für Sportlerehrungen. Hier
wurde die Olympische Silbermedaille 1936 des Gelsenkirchener
Weltergewichts-Boxers Michael Murach ebenso gefeiert wie die Deutschen
Meisterschaften und Pokalfinalteilnahmen des FC Schalke 04. 1940
hielt der Gelsenkirchener Rollschuhklub eine gut besuchte
Werbeveranstaltung ab, 1941 wurden die Gaumeisterschaften in dieser
Sportart im großen Saal ausgetragen. 1943 fand im Rahmen eines
Schachkongresses des Großdeutschen Schachbundes ein Wertungsturnier um
die Teilnahme an der Großdeutschen Schachmeisterschaft statt.
Kino
Der Saal war vom Architekten auch zur Nutzung als Kino geplant.
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Mit Hakenkreuzfahnen dekorierte Bühne im Hans-Sachs-Haus-Saal beim Gautreffen der NSDAP 1937 |
Ab 1940 wurde das Leben in Gelsenkirchen stark geprägt durch fast allnächtlich stattfindenden Fliegeralarm. Bei Luftangriffen auf Industriewerke waren die ersten Opfer zu beklagen. Auch das Kulturleben hatte sich diesen Umständen anzupassen: "Das erste städtische Hauptkonzert, mit dem heute die Konzertveranstaltungen des Winterhalbjahres 1940/41 im Großen Saale des Hans-Sachs-Hauses eröffnet wird, hat eine überaus große Musikgemeinde zusammengeführt. Wohl selten ist ein Konzert so gut besucht gewesen wie dieses, inmitten des Krieges, ganz zweifellos ein erneuter Beweis dafür, wie stark das Verlangen unserer Bevölkerung nach den Gütern der Kunst und Kultur ist. Mit Rücksicht auf die erhöhte Luftgefahr begann das Konzert bereits um 19.30 Uhr und war pünktlich um 21 Uhr beendet. Kaum hatten die letzten Besucher des Konzerts den Hans-Sachs-Haus-Saal verlassen, als die Sirenen ertönten und das Einfliegen der britischen Flieger ankündigten. Mehrere Flugzeuge überflogen unsere Stadt in östlicher Richtung." Aus der Stadt-Chronik 10.10.1940 |